„Mehr Gemeinsinn in der Wirtschaft“: 30 Jahre NATURATA & Co

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Mit einem ebenso informations- wie genussreichen Abend im Trifolion hat das Netzwerk rund um die Bio-Bauere-Genossenschaft BIOG am Mittwoch ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. Vor dem Hintergrund der allpräsenten Klimadebatte stand die Veranstaltung ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit. Gemäß dem Anspruch der Luxemburger Biovermarktungsbetriebe ging es dabei gleichermaßen um ökologische Fragen wie um soziale Aspekte. Die gesellschaftliche Anerkennung dieser Ausrichtung gab es vor wenigen Tagen on top: in einer groß angelegten Kundenbefragung erreichten die Läden der Luxemburger Biobauern, besser bekannt unter dem Namen NATURATA, ein exzellentes Ergebnis. Im Rahmen der Feier wurde es von einem Vertreter der federführenden Beratungsgesellschaft KPMG offiziell verkündet.

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17/10/2019 | Evènements
  • OIKOPOLIS30Joer Grupp1 (002)

Den ökosozialen Grundton des Abends gab Demeter-Landwirt Tom Kass vor, indem er das Gründungsmotiv der BIOG-Genossenschaft in Erinnerung rief: das Ziel, die nach biologischen Standards erzeugten Produkte ihrer Mitglieder „immer zu fairen Preisen für alle Beteiligten an die Konsumenten zu bringen“. Gewinnmaximierung stehe dabei, so der Aufsichtsratsvorsitzende des aus der Genossenschaft hervorgegangenen OIKOPOLIS-Netzwerks, für keinen der BIOG-nahen Betriebe im Vordergrund, denn diese fühlten sich im Sinne des alternativen Wirtschaftens der so genannten Gemeinwohlökonomie verpflichtet.

Verantwortung übernehmen und fair handeln

Seit 2017 macht ein spezielles Siegel die soziale Komponente dieses Handelns auch für Endkunden sichtbar. Das Qualitätszeichen „fair & assoziativ“ steht dafür, allen an der Wertschöpfung Beteiligten die Fortführung ihrer Arbeit an und mit der Natur zu ermöglichen und den Bauern nachhaltige Berufsperspektiven zu bieten. Dies sei umso wichtiger, als mittlerweile auch im Biobereich immer mehr Mitspieler auf eine industrialisierte Massenproduktion setzen. Als „Gegenpol“ zu deren „immer billiger auf dem Markt erscheinenden Bioprodukten“ lobt Kass das Label „fair & assoziativ“.

Doch nicht nur bei Kaufentscheidungen kann jeder Einzelne verantwortlich handeln. Eindringlich appellierte Tom Kass: „Was wir heute brauchen, sind Menschen, die wie damals bei der Gründung der BIOG Verantwortung übernehmen – Verantwortung für zukünftige Generationen, Verantwortung für einen respektvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen und für einen respektvollen Umgang miteinander.“ Für die OIKOPOLIS-Betriebe sei die Übernahme eigener Verantwortung ein zentraler Impuls, doch das oberste Ziel ihrer Bemühungen sei „eine Ausdehnung der ökologisch bewirtschafteten Fläche.“ Auch dafür brauche es einen „Systemwechsel: Wir sollen nicht müde werden, das immer wieder einzufordern.“

Ökosozialer Systemwechsel – aber wie?

Den akademischen Überbau zu diesem Aufruf lieferte Professor Loske. In einem wahren Parforce-Ritt durch die aktuell vorherrschende „neoklassische Ökonomik“ und ihre der Nachhaltigkeit dienlichen Gegenentwürfe nahm er zunächst die Denkfiguren aufs Korn, die eine systematische Orientierung am Prinzip der Nachhaltigkeit erschweren und politische Gestaltung in ihrem Sinne behindern – vom dogmatischen Glauben an die Macht des Marktes bis zum „Fetischcharakter“ des Brutto-Inlandsprodukts, das heutzutage als zentrale Messgröße für (nicht nur) wirtschaftlichen Erfolg missiniterpretiert wird. Diese und andere Leitbilder der „Mainstream-Ökonomik“ seien zwecks Zukunftssicherung zu überwinden oder zumindest zu ergänzen – um alternative Modelle wie die „Share, Care und Repair Economy“. Neben diese wohl bestbekannten Formen alternativen Wirtschaftens, die alle einer „kooperationsgetriebenen Ökonomie“ zuzurechnen seien, stellte der Experte auch nachhaltige Alternativen im Bereich der „technologiegetriebenen“ sowie der „lebensstilgetriebenen“ Ökonomie. Zu ersterer zählt Loske zum Beispiel die „Ökonomie der Effizienz“ im Sinne der Ressourcenschonung, zu letzterer unter anderem die Ökonomie der Suffizienz, also Selbstgenügsamkeit im Sinne einer „Befreiung vom Überfluss.“

Einen totalen Systemwechsel, bei dem die unterschiedlichen Varianten alternativen Wirtschaftens das vorherrschende Mainstream-Modell ablösen, hält der Experte für wenig wahrscheinlich. Realistischerweise gehe es in dieser Hinsicht nicht um „Entweder-Oder“, sondern um ein „Sowohl als auch“. Doch auch dazu sei politische Unterstützung unerlässlich.

Politik als Schleusenöffner

Breitenwirksame Schritte in Richtung Nachhaltigkeit seien erst möglich, wenn politische Rahmenbedingungen sich ändern: „die Schleuse muss geöffnet werden, damit das, was Pioniere, Innovateure und frühzeitig Lernende in der Nische vorführen, einfließen kann in den künftigen Mainstream.“ Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) habe sich schon „von der Masse-Förderung zur ökologischen Klasse-Förderung“ verlagert. Ähnliches sei auch auf Ebene der Landespolitik nötig, denn nur gemeinsam könnten Lebensstilwandel und Politikwandel „aus der Nische in den Mainstream hineinwachsen“.

Dass die Landespolitik dies unterstützt, betonte Umweltministerin Carole Dieschbourg: „100% Biolandbau in Luxemburg bis 2050, mindestens 20% bis 2025“ – diese erst kürzlich festgeschriebene Selbstverpflichtung der Regierung sei „eine klare Aussage und ein klarer Rahmen. “ Ihr Kollege aus dem Ressort für Umweltentwicklung und Energie, Claude Turmes, ergänzte, damit erhalte Luxemburgs Biolandwirtschaft dieselbe Unterstützung wie die konventionelle. Für die weitere Zukunft der von Gemeinsinn getragenen Vermarkter von Erzeugnissen der Biolandwirtschaft sei er deshalb „sehr optimistisch“ – zumal für NATURATA, die Läden der Luxemburger Biobauern.

Dass dieser Optimismus wohl begründet ist, belegt der „Kundenerfahrungs-Bericht“ (Customer experience report“ der Beratungsgesellschaft KPMG. Dort ist es NATURATA Luxemburg auf Anhieb gelungen, ins Feld der Top Ten vorzustoßen. Obwohl erstmalig im Rahmen einer repräsentativen KundInnen-Befragung in 20 Ländern als Auswahloption im Großherzogtum präsentiert, platzierte sich NATURATA im Gesamt-Ranking Luxemburger Firmen auf dem 8. Rang der kundenfreundlichsten Betriebe – im Bereich Lebensmittelhandel bedeutet dies sogar den 1. Platz.

Top Ten dank „fair & assoziativ“

Die Hintergründe dieser überaus positiven Bewertung der NATURATA-Läden aus Kundensicht skizzierte Bio-Pionier Änder Schanck mit einem Einblick in die Philosophie, die der Unternehmenskultur der OIKOPOLIS-Betriebe zugrunde liegt. Sie setzt auf allseitigen Dialog sämtlicher Wertschöpfungsteilnehmer – vom Biobauern oder –gärtner über Verarbeiter, Grossisten und Einzelhändler bis zum Verbraucher. In institutionalisierten Rundtischgesprächen kommen deren Vertreter zum regelmäßigen Austausch zusammen. „Kooperativ statt konfrontativ“ wird in diesem Kontext auch mit „der Konkurrenz“ umgegangen. So sei die langjährige Kooperation mit den Cactus Supermärkten ein Modell zum Nutzen aller Beteiligten – einschließlich der verantwortungsbewussten, regional interessierten und nachhaltig engagierten Verbraucherinnen und Verbraucher.

Dass sich die heutige Biovermarktungsstruktur der gesamten OIKOPOLIS auch den „Visionen, dem Engagement und der Hartnäckigkeit“ von Änder Schanck verdankt, betonte abschließend BIOG-Präsident Marc Emering. Als Repräsentant der Genossenschaft und Interessenvertreter der Biobauern im Aufsichtsrat der OIKOPOLIS-Gruppe zeigte er sich sehr zufrieden damit, wie deren Betriebe „alle daran arbeiten, die Bio-Landwirtschaft weiterzuentwickeln.“

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